Das erste Peter-und-Paul-Fest nach dem Krieg
Der zweite Weltkrieg bereitete dem traditionellen Peter-und-Paul-Fest ein jähes Ende. Aber bereits 1949, nachdem die gröbste Not nach dem Krieg überwunden ist, macht man sich daran, Vorbereitungen zur Wiederaufnahme des Festes zu treffen. Zunächst ist gegen das verständliche Misstrauen der amerikanischen Militärregierung anzugehen, aber auch in Teilen der Bevölkerung müssen Vorbehalte ausgeräumt werden. Dr. Otto Beutemüller kann mit einem Film über die früheren Peter-und-Paul-Feste erfolgreich Werbung bei der amerikanischen Militärregierung machen und den amerikanischen Oberst West von der Friedfertigkeit des Festes zu überzeugen.
Im Dezember 1949 darf der politisch unverdächtige Verkehrsverein Bretten gegründet werden und man beginnt dort sofort mit der Planung für das erste Peter-und-Paul-Fest nach dem Krieg. Mit Genehmigung der Militärregierung wird am 13. Januar 1950 ein Festausschuss mit Fritz Riederer als Vorsitzendem gegründet. Dieser Festausschuss umfasst bereits die meisten Bereiche, die später auch bei der VAB zu besetzen sind: Festspiel, Festzug, Kinderfest, Propaganda, Kostümausgabe, Bürgerwehr, Trachten, Straßen, Musik, Quartier, Gäste, Auskunft, Heimatvertriebene, Kasse, Pferdegespanne, Beleuchtung, Autoverkehr, Vergnügungspark. Der Startschuss für das erste Volks-und-Heimatfest nach dem Krieg in Süddeutschland ist gefallen.

Robert Junker entwirft mit der Lithografie „Landsknecht und Fanfaren vor dem Marktplatz“ die ersten Peter-und-Paul Plakate. Druckerei Esser stellt das Festprogramm her und 17.000 Handzettel machen in der Umgebung von Bretten Werbung für das Fest.
(Foto: © Vereinigung Alt-Brettheim)
Und so kann vom 1. bis 3. Juli 1950 das erste Peter-und-Paul-Fest in der neu gegründeten Bundesrepublik stattfinden. Träger des Festes ist der Verkehrsverein. Die Stadt mit Oberbürgermeister Edmund Oest sicherte das Fest finanziell ab. Das ist entscheidend, denn sonst müsste der Vorsitzende des Verkehrsvereins, Rudolf Groll, persönlich haften, falls das Fest ein Defizit erwirtschaften würde. Mit dieser städtischen Absicherung wird das unglaubliche ehrenamtliche Engagement der vielen Brettener überhaupt erst ermöglicht. Das Peter-und-Paul-Fest wird als „größtes Volksfest im Kraichgau“ mit seinem „bunten Festzug von einzigartiger Schönheit“ wieder zum unverwechselbaren Erkennungszeichen von Bretten. Schnell entwickelt es sich zu einem der bedeutendsten historischen Volksfeste in Süddeutschland.
Die Nähfrauen
Eine wichtige Abteilung sind die Nähfrauen mit Frieda Reißig, Hilde Wittmer und Luise Hesselbacher an der Spitze, denn ohne Gewänder, mittelalterliche Kostüme und Trachten kann kein Umzug stattfinden. Das Ausleihen aller Kleider wäre viel zu teuer und auch gar nicht möglich. Trotzdem müssen immer noch 156 Leihkostüme für eine stolze Summe von 1.130 DM ausgeliehen werden. Bereits in den 30ern gab es eine Trachtengruppe aus 40 Frauen, die sich ihre Kostüme aus historischen Vorlagen selber schneiderte. Zusätzlich konnte man die Kostümbildnerin vom Badischen Staatstheater Margarete Schellenberg, Schneidermeister Hermann Petri und Regimentsschneider Hermann Dittes gewinnen. Mit dieser Besetzung wird nun auch das erste Fest 1950 ausstaffiert. Frauen und Kinder kann man schnell dafür begeistern ein Kostüm zu tragen. Die Männer und Buben sind deutlich zurückhaltender, denn sie sträubten sich, Strumpfhosen oder ein kurzes Wams anzuziehen.
Die Gründung der Vereinigung Alt-Brettheim
Am 20. Juli 1950, direkt nach dem ersten Peter-und-Paul-Fest, wird von der Gruppe der mittelalterlichen Nähfrauen der „Verein Alt-Bretten“ gegründet. Dieser schließt sich am 21. März 1951 mit dem Festausschuss zusammen: die Geburtsstunde der „Vereinigung Alt-Brettheim e.V.“. Damit wird der bis heute bestehende organisatorische Rahmen geschaffen, die VAB wird zum offiziellen Träger des Peter-und-Paul-Festes in Bretten.
Erster Vorsitzender der VAB wird Hermann Beuttenmüller. Er ist über Jahre hinweg eine tragende Säule des Festes und erhält den Titel „Stadtvogt“. Wichtige Freunde und Unterstützer findet er bei Industrie, Handel und Handwerk und nicht zuletzt in seinem eigenen Betrieb. Zweiter Vorsitzender wird Friedrich Esser, Schatzmeister ist Willi Sartorius, Schriftführer wird Hans Doll. Viele fleißige Beteiligte vor allem aus der Schützengilde, der Bürgerwehr Bretten und der Nähfrauen tragen dazu bei, dass das Fest in unzähligen Stunden ehrenamtlichem Einsatz organisiert und immer weiter ausgebaut werden kann.tr

v.l.: Hermann Klöpfer und Stadtvogt Hermann Beutemüller mit Sohn Gerd, 1950
(Foto: © Stadtarchiv Bretten)
Das Programm von 1950
Der Marktplatz wird mit Bühne, Zuschauertribüne, Kinderkarussell, Schießstand und mehreren Wirtschaften bestückt. Bei der „Krone“ und beim „Badischen Hof“ werden Nachbauten der historischen Stadttore aufgestellt. Häuser und Straßen werden mit viel Grün und blau-weißen Fahnen geschmückt. In den angrenzenden Gassen und Plätzen kann ein Vergnügungspark mit Autoscooter, Schiffschaukel, Spielhalle, Eis-, Zucker- und Bratwurstständen errichtet werden. Der Eintrittspreis beträgt 1 DM und 15.000 Eintrittsplaketten werden bereitgehalten.
Am Samstag um 18:00 Uhr wird das Fest auf dem Bahnhofsvorplatz mit der Begrüßung der auswärtigen Bürgerwehren, die mit dem Zug angereist kommen, offiziell eröffnet. Um 20:00 Uhr beginnt das Abendprogramm auf dem Marktplatz mit Musik, Tanz und Aufführungen.

Der Festzug 1950 zieht mit der Bürgerwehr Bretten von West nach Ost auf dem Marktplatz ein.
(Foto: © Stadtarchiv Bretten)
Heimatvertriebene führen Volkstänze in ihren Trachten auf. Hunderte Kerzen auf den Fenstersimsen verwandeln den Marktplatz in einer einzigartige, feierliche Kulisse. Gespielt wird ein Hans-Sachs Stück und das Spiel vom Brettener Hundle. Hans Sachs (1494 – 1576) war ein beliebter Dichter, Dramaturg und Liedermacher. Er nahm mit seinen lustigen, volkstümlichen Theaterstücken, Knittelversen und Sprüchen den städtischen Alltag aus Korn.
Am Sonntag um 07:00 Uhr weckt ein Musikzug etwas unsanft die Stadt mit Marschmusik. Nach dem Kirchgang geht das Programm auf dem Marktplatz mit Musik und Theater weiter.

Links vorne sieht man den Schützenkönig, denn schließlich geht die Tradition des Volksfestes auf die mittelalterlichen Schießübungen, das Freischießen und das Schützenfest zurück.
(Foto: © Stadtarchiv Bretten)
Der zweifache Festumzug
Sonntagnachmittag stellt sich der große historische Festzug am Seedamm auf, um ab 14:00 Uhr über Melanchthonstraße – Marktplatz – Weißhoferstraße – Georg-Wörner-Straße – Friedrichstraße – Pforzheimer Straße – Marktplatz durch die Stadt zu ziehen. Er besteht aus drei Abteilungen: 1) Bürgerwehren, 2) Mittelalter, 3) Trachten der Neubürger, Handwerker, Gewerbe, Landwirtschaft. Mitten im Umzug entlädt sich ein schweres Gewitter und eine Scheune in der Weißhofer Straße wird vom Blitz getroffen. Der Festzug muss abgebrochen werden, alles hilft die Scheune zu löschen, ein jeder ist bis auf die Haut nass und man zieht völlig enttäuscht nach Hause.

1950 wird das Theaterstück „Vier Freier um Barbara“ vor dem Marktbrunnen aufgeführt. 1951 wird das Festspiel „Einzug Kaiser Karl V Anno 1550 in Bretten“ gespielt.
(Foto: © Vereinigung Alt-Brettheim)
Kaum hellt der Himmel auf, schickt der Festausschuss Fanfaren durch die Stadt, um die Wiederholung des Umzugs um 16:00 Uhr zu verkünden. Alle trocknen und säubern eifrig ihre Gewänder, und tatsächlich findet der Festzug 1950 ein zweites Mal statt. Das Peter-und-Paul-fest 1950 wird allen unvergesslich bleiben.
Nach dem Festzug wird ein Theaterstück auf der Marktplatzbühne gespielt. Der Große Zapfenstreich wird noch nicht aufgeführt, er wird erst 1952 seine Uraufführung auf dem Marktplatz haben. Später wird vom Pfeiferturm ein prächtiges Feuerwerk abgeschossen. Bis tief in die Nacht wird getanzt und gefeiert.

1951: Begrüßung der auswärtigen Gäste auf der Bühne neben dem Marktbrunnen, v.l.: Karl Ammann, Fritz Riederer, Hermann Klöpfer, BM Edmund Oest, Stadtvogt Hermann Beuttenmüller
(Foto: © Vereinigung Alt-Brettheim)
Der Frühschoppen am Montag morgen auf dem Marktplatz findet noch ohne Schwartenmagen-Umzug statt, denn der sollte erst 1953 erfunden werden. Am Montagnachmittag wird der Nachwuchs in die Brettener Tradition eingeführt, ein bunt gemischter, farbenprächtiger Kinderfestzug zieht durch die Stadt.

Fanfaren- und Trommlerzug, die Stadt ist 1950 mit Bäumen und Schmuck festlich herausgeputzt.
(Foto: © Stadtarchiv Bretten)
Das Fest klingt am Montagabend aus und alle sind mit rund 20.000 Besuchern durchaus glücklich. Der Kassier kann mit einem Reinerlös von 2.031 DM mehr als zufrieden sein. Mit diesem Grundstock kann die VAB gegründet werden, und man kommt schnell überein, das Fest fortan jedes Jahr zu feiern.

Der Peter-und-Paul-Umzug zieht hier mit der Jagdgruppe im Vordergrund durch die Friedrichstraße
(Foto: © Vereinigung Alt-Brettheim)